18. Dreiländerkongress – Pflege in der Psychiatrie


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Verletzung und Verletzlichkeit

– wenngleich als Begriffe in unseren Arbeitsfeldern nicht täglich präsent sind die Themen in unserem Berufsalltag relevant. Das Verb „verletzen“ geht zurück auf das germanische Verb „letzen“ und bedeutete im alten Sprachgebrauch aufhalten, hemmen, behindern und bedrücken, quälen, schädigen. Vor diesem Hintergrund wird leicht nachvollziehbar, dass uns Verletzung und Verletzlichkeit im Zusammenhang mit Krankheitserfahrungen all-gemein und besonders im Zusammenhang mit psychischen Erschütterungen kontinuierlich begleiten.

Wie wir aus Studien und aus Erfahrungen in der Pflegepraxis wissen, stellen seelische Verletzungen bzw. Psychotraumata einen erheblichen Risikofaktor für die Entwicklung unterschiedlicher psychischer Erkrankungen dar. Wir begegnen und begleiten Menschen, denen schwierigste Erlebnisse in ihrem Leben widerfahren sind und deren Verletzungen uns bekannt sind. In unseren Arbeitsfeldern gibt es jedoch traumatisierte Menschen, von deren Traumata wir nichts wissen oder diese– da die Dunkelziffer hoch ist – nur erahnen können. Grund genug, sich dies ins Bewusstsein zu rufen und eine traumasensible Pflege zu gewährleisten. Das bedeutet: Sicherheit zu vermitteln, Vertrauen aufzubauen, unserem Gegenüber Kontrolle zu überlassen und Selbstbestimmtheit und Partizipation zu ermöglichen.

Erfreulicherweise haben Partizipation und Selbstbestimmtheit im psychiatrischen Versorgungskontext in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen und sind mittlerweile ein integraler Bestandteil vieler zeitgemäßer Konzepte wie z.B. der Recoveryansatz und das darauf ausgerichtete Gezeitenmodell. Wir verfügen auch über Interventionen wie z.B. Behandlungsvereinbarungen, die die Selbstbestimmtheit und damit die Kontrolle über das eigene Leben der Nutzen-den positiv beeinflussen können. Aber aus der Forschung und aus Berichten von Betroffenen wissen wir, dass der Kontakt zu psychiatrischen Institutionen nicht nur nutzen, sondern auch schaden kann. Manchmal tragen unsere Interventionen dazu bei, dass vulnerable Menschen traumatisierende Erfahrungen machen. Mit den im System verankerten Zwangsmaßnahmen und Behandlungen nehmen wir dieses Risiko in Kauf. Dies führt nicht selten auch bei uns zu Verletzungen und bringt uns in belastende fachliche und ethische Konflikte. Verletzung und Verletzlichkeit sind daher nicht nur Themen des Gegenübers. Sie betreffen immer auch uns selbst. Einerseits im Beruf und anderseits im Alltag, wenn in Zeiten von Krieg und Krisen viele von uns Sicherheit und Vertrauen verlieren und die eigene Verletzlichkeit spüren.

⇒ weitere Infos: dreilaenderkongress.at